Routenzüge werden immer wichtiger

Über alle Branchen hinweg stehen Unternehmen vor der wachsenden Herausforderung, Ressourcen optimiert, gewinnbringend und nachhaltig einzusetzen, um in dynamischen Marktumfeldern bestehen zu können. Speziell in logistischen Belangen stellt sich inzwischen oft die Frage: Mensch oder Maschine? Die staplerfreie Produktionslogistik mit automatisierten Routenzugsystemen ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass das eine das andere nicht ausschließt. Vielmehr sorgt die Synergie beider Komponenten für hohe Effizienz und den wertschöpfenden und gesundheitsfördernden Einsatz von Mitarbeiter*innen. Mit 100 Jahren Erfahrung in der Konzeption und Implementierung intelligenter Intralogistiklösungen ist der Hersteller Partner, wenn es darum geht, Produktionslogistik zu optimieren und mit automatisierten Prozessen erfolgreich die Zukunft zu gestalten. Seit der Jahrtausendwende steht der Begriff des Routenzugssystems in europäischen und deutschen Fachkreisen für schlanke Prozesse und eine getaktete innerbetriebliche Logistik. Die Funktionsweise geht zurück auf das Milkrun-Prinzip, das in den USA bereits in den 1960er Jahren die Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellte. Wie der Milchmann allmorgendlich seine Runde fährt und dabei leere gegen volle Kannen tauscht, werden hierbei Produktionen mittels Schleppfahrzeugen zeit- und bedarfsgerecht mit Materialien versorgt. Im gleichen Zug erfolgt die Entsorgung von Materialien oder der Weitertransport von Teilprodukten. Das Routenzugsystem entwickelt diesen Gedanken systematisch weiter. Dank Trolleys, die in am Schleppfahrzeug angehängte Rahmen geschoben werden, können flexibel und schnell gesamte Produktionslinien just in time oder just in sequence beliefert werden. Das perfekte Zusammenspiel von Trolley und Rahmen ist hierbei ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Neben der effizienten und prozesssicheren Materialver- und -entsorgung profitieren Unternehmen auch hinsichtlich Produktivitätssteigerung, Kostenoptimierung und Produktionsindividualität. Die zyklisch getaktete Versorgung über eine gleichbleibende Route sorgt zusätzlich für Sicherheit, innerbetriebliche Verkehrsberuhigung sowie Arbeitsergonomie. 

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Behindertengerechte Stapler

Behindertengerechte Stapler

Andreas Hindelang kann Dank angepasstem Gabelstapler wieder seiner Arbeit nachgehen

Als Andreas Hindelang in der Produktionshalle in Aichelau das erste Mal auf seinem neuen Gabelstapler Platz nahm, war ihm die Freude und Erleichterung deutlich anzusehen. Am liebsten wäre er geradewegs ins PARAVAN-Lager gefahren und hätte dort gleich losgelegt. Seit über zwei Jahren konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Probleme in der linken Schulter machten ein Manövrieren über das serienmäßige Lenkrad seines Gabelstaplers unmöglich. Dank Space Drive von PARAVAN kann der 52-jährige jetzt wieder seiner Arbeit nachgehen. Den Stapler lenkt er nun via Steer by-wire mit einem Joystick, der an der Tür angebracht ist.

„Sie wissen nicht wie oft er bei mir angerufen hat und fragte, wann der neue Stapler kommt“, berichtet der Werksleiter Roland Stindl von der Kunert Peiting GmbH &Co. KG, einem Papierverarbeitungswerk. Für Andreas Hindelang wäre es keine Alternative gewesen, irgendwo einem Bürojob nachzugehen. Seit einem einen Arbeitsunfall vor 15 Jahren war die Beweglichkeit seines rechten Armes stark eingeschränkt Lenken konnte er noch mit dem linken Arm. Mit seinem rechten Arm bediente er mit Hilfe einer Armlehne die Joysticks für den Stapler. „Dann habe ich Folie auf die Lehne gelegt, dass der Arm besser gleitet“. Fünf Jahre später konstruierte die Lindevertretung Suffel, spezialisiert auf Entwicklung und Konstruktion eine individuell angepasste Schiebekonsole. Das ging dann weitere sechs Jahre gut.

„Du musst den ganzen Tag lenken. Die Produktion gibt das Arbeitstempo vor“, berichtet Andreas Hindelang. Als Folge des Unfalls war nun die linke Schulter überlastet und ständig entzündet. Lenken mit der ursprünglichen Lenkung ging nicht mehr. Auch ein Versetzen brachte nur kurzfristig Abhilfe. Ende 2017 fing Andreas Hindelang an zu tüfteln, wollte den Stapler mit einer eigenen Konstruktion steuern, die aber nicht zum Einsatz kam.

„Aus einem Fahrer kann man keinen Büromenschen machen“, sagt Stindl, der Andreas Hindelang in der Qualitätssicherung eingesetzt hatte. „Hülsenmessung ging von der Motorik her nicht“, berichtet er, blieb nur noch die Verwaltungsarbeit. „Das bin nicht ich“, ergänzt Hindelang. Sein Arbeitgeber erkannte sein Potential und suchte nach Lösungen. Ein langer Weg, der letztendlich um Erfolg führte. Nach ersten Kontakten zu Gabelstapler-Hersteller Suffel und zur Berufsgenossenschaft gingen die Verantwortlichen auf den Umrüster PARAVAN zu. Die schwäbische Tüftlermanufaktur fertigt individuelle und technisch hochkomplexe Sonderbauten nach den Bedürfnissen der bewegungseingeschränkten Kunden an. Sowohl für den privaten Gebrauch als auch für Firmen, vom Traktor bis hin zum Caterpillar-Radlader.

Mit einem baugleichen Modell wurde die Machbarkeit geprüft sowie der Umbau konzipiert. Dann konnten die Angebote für den Stapler sowie für die Anpassungen von Suffel und PARAVAN erstellt werden. Ende 2019 war es dann soweit, der ersehnte Stapler wurde im Mobilitätspark angeliefert und umgebaut.

Ausgerüstet ist der neue Linde H30 Evo mit dem Steer-by-Wire-System Space Drive. Mit Hilfe des elektronischen und redundanten Lenksystems kann Andreas Hindelang sein Arbeitsgerät zukünftig sicher per Joystick lenken. Nur ein minimaler Kraftaufwand ist dazu nötig, um das Fahrzeug quasi mit den Fingern präzise zu steuern. „Ein Lenkwinkelsensor an der Hinterachse verhindert das Übersteuern der Räder“, informiert PARAVAN-Techniker Marco Neuburger bei der Übergabe, der gemeinsam mit Norbert Hein die Anpassung umgesetzt haben.

„Das Vorhaben Herrn Hindelang wieder zu seinen alten Job zu verhelfen, ist gelungen“, freut sich der Arbeitgeber. „Wenn ich einen guten Mitarbeiter habe, möchte ich ihn auch halten.“ Zwar sei der Aufwand für einen einzelnen Arbeitsplatz enorm, doch letztendlich gehe die Rechnung auf, ebenso wie das Ziel Andreas Hindelang wieder sinnvoll in den Arbeitsmarkt zu integrieren, erklärt Reha- Managerin Barbara Held von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse in Nürnberg. „Die Zusammenarbeit war mit allen sehr positiv. Jeder hat sich sehr engagiert, vor allem wenn es darum ging die optimale Lösung zu finden“, lobte PARAVAN Mobilitätsberater Joachim Glück.

Mitte Januar konnte Hindelang das erste Mal auf seinem neuen Arbeitsgerät Platz nehmen. Letzte Anpassungsarbeiten brachten den optimalen Arbeitskomfort. Kaum wieder auf dem Gabelstapler gesessen, wollte er den Kollegen bei PARAVAN gleich helfen. Damit kann der passionierte Staplerfahrer wieder an seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren. „Bis zur Rente sollte der neue Gabelstapler jetzt halten“, sagt Michael Willenbücher, Leiter des Sonderbaus und Konstruktion und verantwortlich für die Anpassungen bei Suffel.

„Ich brauche einen Tag Arbeit und ich habe es wieder“, sagt Andreas Hindelang. Nach zwei Wochen Wiedereingliederung arbeitet er seit Anfang Februar nun wieder Vollzeit. „Wie als wäre nichts gewesen“, berichtet Werksleiter Roland Stindl. Er kommt mit dem neuen Lenksystem hervorragend zurecht. „Jetzt kann ich wieder ohne Schmerzen meine Tätigkeit als Staplerfahrer ausführen“, bestätigt er. www.paravan.de